Presseartikel über Graffitiwettbewerb der Deutschen Bundesbahn, S-Bahn-surfen und die Sprühvereinigung MAC

 

Der nachfolgend aufgeführte Presseartikel wurde veröffentlicht in der Hamburger Morgenpost (Mopo) am 3. April 1989.

 

Ein Zeitungsbericht über Graffiti, Graffitiwettbewerb der Deutschen Bundesbahn, S-Bahn-surfen und die Sprühvereinigung MAC.

 

Der rechtsstehende Text wurde mittels ocr-Texterkennung eingescannt.

 

 

 

Originalartikel zur Ansicht

Sprayer machten auch Polizei Spaß

 

Bahn bat "Graffiti"- Künstler an die Dose

"Legal werden Zeichnungen viel sauberer"

In Bergedorf illegal ein ganzer Zug bemalt

 

"Jetzt schmieren die ja schon am hellichten Tage", entsetzt sich die alte Dame auf dem S-Bahnhof Langenfelde. Umringt von Schaulustigen sprühten gestern nachmittag ein Dutzend Jugendliche ihre Grellbunten "pieces" (Zeichnungen) oder "tags" (Namenskürzel) auf die schneeweißen Wände der Wartestände. Und der Chef der Bahnpolizei Sonderkommission "Graffiti", Bodo Claußen, stand mit Händen in der Hosentasche daneben.

 

Die Sprayer arbeiteten diesmal ganz legal. Die Bundesbahndirektion hatte ihnen auf den Bahnhöfen Diebsteich und Langenfelde 200 Quadratmeter Fläche zur Verfügung gestellt.

 

 

Am Nachmittag entschied dann eine Jury wer am kunstvollsten gesprüht hatte.

 

"Da sind viele dabei, die ich schon mal festgenommen habe", schmunzelt Claußen. Zum Beispiel der Schüler Dirk W. (17) Künstlername "Face one". Der Fahnder hatte ihn erwischt, wie er gerade einen "tag" an eine Abteilwand kritzelte. Jetzt sieht Claußen zu wie Dirk mit hektischen Bewegungen grellrote Linien an die Wand sprüht.

 

"Es macht mir Spaß einmal legal zu arbeiten" erklärt Dirk. "Ich muß nicht immer daran denken, das die Bahnpolizei gleich um die Ecke kommt. Da werden die Zeichnungen viel sauberer."

 

Dirk erklärt wie Sprayer jetzt über die Züge herfallen.

 

 

Eine Gruppe liegt in den Stationen auf der Lauer. Hält vor ihnen ein Zug, springen die Sprayer hervor und sprühen ihre "pieces" und "tags" auf die Zugwand. Weil die Zeit knapp ist, reicht es nur für ein "thrap" oder ein "quick" (flüchtige Zeichnungen). Bevor die "Cops" (Bahnpolizei) etwas merken, ist die "Gang" schon wieder verschwunden.

 

Nicht alle Sprayer machen bei den nächtlichen Überfallaktionen mit. "Unsere Kunst ist gefragt", erzählt Zico (19). Diskotheken und Boutiquen gehören zu seinen Kunden, für ein Leinwandpiece verlangt er 2000 Mark.

 

Claußen ist skeptisch, ob die Bahnaktion erfolg hat. Der Kribbel des Verbotenen ist für die Jugendlichen doch das Wichtigste."

 

 

Erst Freitag nacht waren unbekannte Sprayer über einen Zug in Bergedorf hergefallen, hatten eine ganze Seite bis unter das Dach mit greller Farbe zugesprüht. Schaden : Mehrere Tausend Mark.

 

Bildunterschrift:

Oben rechts: Bodo Claußen (r.) mit einem der Jugendlichen Sprayer die der Einladung gefolgt waren.

Oben links: Zicos Graffitis sind inzwischen begehrte Objekte, zum Beispiel in Diskos.

Links: Ein Dutzend Sprayer malten am S-Bahnhof Langenfelde um die Wette.

Unten: Freitag nacht illegal besprüht: Ein S-Bahn-Zug in Bergedorf.

 

Text: von Blumencron Fotos: von Blumencron und Joost